Die denkende Hand: Kartierung als Medium urbaner Erkundungen

Kurator und Autor Simon Sheikh im Gespräch mit metroZones (→ English version).

Simon Sheikh: Worin seht Ihr den größten Unterschied, oder auch Vorteil, von Kartierung und nicht von Katographie zu sprechen? Wie habt Ihr, die Ihr als Kollektiv in verschiedenen Konfigurationen arbeitet, die Kartierung als Forschungsmethode entwickelt? Und wie hat sich diese Methode in der Praxis und in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Counterparts – solchen inner- und solchen außerhalb der Gruppe – verändert?

Anne Huffschmid: Vielleicht ist es nützlich kurz an den Arbeitstitel der Ausstellung zu erinnern: Wir nennen es Mapping. Damit ging es uns darum, die Arbeit der explorativen und kulturpoduzierenden Stadtforschung, wie wir sie betreiben, aus einer Mapping-Perspektive zu betrachten und das Konzept aus unserer eigenen Praxis zu befragen. Dabei fragten wir uns, ob das, was wir als metroZones bislang gemacht haben, womöglich immer schon eine Art Mapping gewesen ist? Denn Kartierung heißt ja, Dinge in Beziehung zueinanderzusetzen, wobei dann Raumbilder und Bildräume entstehen.

Jochen Becker: Das ist das, worin Mapping so gut ist. Es ist angewandte Kunst, nicht die Kunst an sich, auch nicht rein dokumentarisch, sondern etwas dazwischen. Und das kann uns, zum Beispiel, zu einem Fomat wie eine echte Tapete führen. Wir nutzen die Methode des Kartierens nicht um der Karten sondern um des Katierens willen. Die meisten der Karten sind nicht georeferenziell; sie haben keine Legende, Du kannst auf ihnen die Orientierung verlieren. Für unser Projekt Berlin Field Recodings: Mapping Along the Refugee Complex, das wir für den Herbstsalon 2015 des Gorki-Theaters realisiert haben, hat Chistian eine Karte aus den Erzählungen der verschiedenen Notizbücher der Projektteilnehmenden destilliert. Für eines der Videos hat die Refugee-Aktivistin Napuli Paul Langa dann eine Relektüre dieser Karte vorgenommen – und diese damit nochmal neu produziet. Während ihrer Lektüre hat Napuli diese Erzählungen aus einer anderen Perspektive betrachtet.

Diana Lucas-Drogan: Mapping verändert sich die ganze Zeit. Für die Stadt-als-Byte-Kartierung im HAU haben wir einen anderen Zugang gewählt als bei unseren partizipativen Kartierungen in Hellersdorf. Es hängt von der Frage ab, die wir stellen, und von dem jeweils spezifischen Kontext. Wir fragen uns immer, welches Mittel wir nutzen wollen, um die verschiedenen Geschichten zu erzählen und Wissen zu teilen. Es gibt nicht den einen Weg, wie sich die Kartierung formulieren lässt. Es kann mal performativer sein, wie im HAU, oder eben partizipativer. Immer aber geht es über Fragen nach Autorenschaft hinaus.

Simon Sheikh: Lasst uns auf Euren Ansatz bei der aktuellen Ausstellung Mapping Along kommen. Es gibt natürlich eine traditionelle Vorstellung einer Ausstellung als das Ergebnis von Forschung. Aber dann ist da auch diese Idee, dass eine Ausstellung zum Ort werden kann, an dem die Forschung stattfindet, also ein Ort, wo Forschung aufgeführt wird.

Kathrin Wildner: Ich mochte sehr, wie Christian eine Ausstellung einmal als Kreislauf einer Wissensproduktion beschieb. Dabei kann immer etwas Neues entstehen, mit jeder neuen Besucherin kann das in Fluss kommen. Das Begleitprogramm ist dafür wichtig. Wir nutzen es für die Relektüre der ausgestellten Arbeiten in einem eigenen Prozess. So wird das Beiprogramm auch zum Teil der Produktion.

Christian Hanussek: Ein anderer wichtiger Aspekt von Ausstellungen ist die Herstellung von Beziehungen zwischen verschiedenen Exponaten. Das beginnt bei unseren eigenen Arbeiten, wenn wir darüber nachdenken, wie wir sie innerhalb des Ausstellungsraums untereinander verknüpfen. Und es ist besonders wichtig mit Blick auf unsere Gäste. Es geht uns dabei schon um Setzungen, aber zugleich ist die Interaktion zwischen den Exponaten ein offener Prozess, der erst dann geschieht, wenn die Ausstellung auch wirklich offen ist. Ich persönlich freue mich schon sehr darauf.

Hier finden Sie die PDF-Version des Magazins zur Ausstellung Mapping Along, das der Printausgabe der taz.die tageszeitung vom 16. April 2021 beiliegt. Dieses enthält eine längere Version des Gesprächs zwischen Simon Sheikh und metroZones.

Weitere Informationen zur Ausstellung Mapping Along im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin

Das Projekt wird gefördert aus Mitteln der Senatsverwaltung für Kultur und Europa: dem Hauptstadtkulturfonds, dem
Fonds für Kommunale Galerien und dem Fonds Ausstellungsvergütungen für Bildende Künstlerinnen und Künstler.